Die mit dem TTIP verbundenen Pläne, Investitionsstreitigkeiten vor Schiedsgerichten auszutragen, lösten in Teilen der Bevölkerung einen Proteststurm aus. Die Sprache geht von „Geheimgerichten“ bis zu einer „Schattenjustiz in Nobelhotels“, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit agiert. Auch die zunächst unnötig strenge Geheimhaltung der Vertragsentwürfe dürfte dieser Auffassung Nährboden bereitet haben.
Aber inwieweit treffen diese Vorwürfe zu? Ohne Frage – bei der Schiedsgerichtsbarkeit handelt es sich um eine alternative Konfliktlösung, die eigenen Regeln folgt.
Sind diese aber tatsächlich zu intransparent?
Transparenz ist ein tragendes Prinzip des deutschen Verfahrensrechts und ein wesentlicher Pfeiler unserer Demokratie. Sie lässt es zu, Gerichte zu kontrollieren und erfüllt die Funktion einer „Machtbegrenzung“ staatlicher Stellen. Die Befürchtung diese Kontrolle in Schiedsverfahren nicht ausüben zu können, stößt vielen schwer auf – es droht die Beschneidung des Rechtsstaats.
Was aber ist Transparenz überhaupt?
Eine Definition lässt sich am besten durch den Vergleich mit dem Gegensatz herleiten: Opazität. Ein opakes Rechtssystem würde Außenstehenden nicht aufzeigen, nach welchen Regeln und Verfahrensweisen es entscheidet. Urteile, die auf subjektiver und willkürlicher Entscheidungsgewalt basieren, wären die Konsequenz. Demgegenüber ist wesentlicher Bestandteil eines transparenten Systems, Außenstehenden die Möglichkeit zu geben, sich über die anwendbaren Verfahrensweisen und Rechtsvorschriften frei zugänglich zu informieren. Kurz gesagt: Das System muss nachvollziehbar sein. Und aus dieser Nachvollziehbarkeit folgt schließlich die Möglichkeit zu kontrollieren, ob ein faires Verfahren tatsächlich gewährleistet war.
Transparenz geht darüber hinaus jedoch nicht zwingend mit öffentlichem Zugang zu allen Verfahrensabschnitten einher.
Dies zeigt auch der Vergleich mit dem deutschen Rechtssystem; ein System, das sich einer hohen Effizienz und Fairness berühmt. Auch in diesem ist nicht jeder Verfahrensgang einsehbar. So gibt es die Möglichkeit, bei Einverständnis der Parteien auf eine mündliche Verhandlung zu verzichten. Darüber hinaus finden die Beratungen zur Entscheidung auch in staatlichen Prozessen hinter verschlossenen Türen statt. Darf sich die Bevölkerung dabei in ihrem Recht auf Transparenz verletzt sehen? Nein – denn die Kontrolle wird ausreichend durch die grundlegende Transparenz des Systems sichergestellt. Ähnlich verhält es sich aber auch in der Schiedsgerichtsbarkeit. Die Verfahrensregeln und das anwendbare Recht sind für jeden zugänglich und die darauf basierenden – und in aller Regel veröffentlichten – Entscheidungen, damit nachvollziehbar.
Wem ist aber damit geholfen, öffentlich zu verhandeln?
Den Nutzern des Systems jedenfalls nicht. Für Investoren ist es oft abschreckend, staatlichen Institutionen in einem öffentlichen Prozess gegenüberzustehen. Die Meidung von Prozessen und auch Investitionen ist direkte Folge, die durch den Rückgriff auf Schiedsverfahren verhindert wird. Auch dem öffentlichen Interesse wäre aber nur wenig gedient: So sehr die Forderung nach Nachvollziehbarkeit und damit einhergehender Kontrolle begründbar ist, würde auch eine öffentliche Verhandlung keine Einflussnahme der Öffentlichkeit auf ein laufendes Verfahren erlauben.
Was können und wollen wir also von Investitionsschiedsverfahren erwarten?
Erwarten können wir das, was bereits gewährleistet ist: Transparenz durch Nachvollziehbarkeit. Wollen wir darüber hinaus aber alles kontrollieren dürfen? Oder verleitet uns allein die Skepsis vor Unbekanntem zu einem Verlangen nach Öffentlichkeit, das selbst das deutsche Verfahrensrecht uns nicht bietet? Klar bleibt jedenfalls: Die Investitionsschiedsgerichtsbarkeit verdient einen differenzierteren Umgang.