Wagner-Arbitration

Das neue kosovarische Investitionsschutzgesetz

Das neue kosovarische Gesetz Nr. 08/L-209 über nachhaltige Investitionen („Gesetz“) stellt eine umfassende Überarbeitung des Investitionsschutzrahmens des Landes dar und schafft einige der großzügigen materiellen Schutzbestimmungen ab, die unter der bisherigen Gesetzgebung gewährt wurden. Das Gesetz wurde im Oktober 2024 verabschiedet und ersetzt zwei frühere Gesetze – das Gesetz über ausländische Investitionen Nr. 04/L-220 („Gesetz über ausländische Investitionen“) und das Gesetz über strategische Investitionen Nr. 05/L-079. Es fasst diese zu einem einheitlichen Gesetz zusammen und zielt auf die Förderung nachhaltiger Investitionen ab.

Die relevantesten Änderungen umfassen:

  • Keine automatische Zustimmung mehr zur Durchführung von Schiedsverfahren seitens der Regierung.
  • Eingeschränktere materielle Schutzbestimmungen.
  • Umfassendere Verpflichtungen für Investoren.

Neudefinition der Begriffe „Investition“ und „Investor“

Nach dem bisherigen Gesetz über ausländische Investitionen wurde „Investition“ definiert als „jeder Vermögenswert“, der sich im Eigentum oder unter der Kontrolle einer ausländischen Person befindet. Das neue Gesetz hat sich von dieser Definition entfernt. Es definiert „Investition“ als „Kapital, das zur Entfaltung einer wirtschaftlichen Tätigkeit in der Republik Kosovo verwendet wird“. Anschließend werden eine Reihe von Vermögenswerten aufgeführt, wie z. B. Anteile an Gesellschaften, Finanzinstrumente, Genehmigungen und Lizenzen, die für den Schutz in Frage kommen.

Das Gesetz hat zudem den Schutzbereich auf inländische Investoren ausgeweitet. Zwar wird zwischen (inländischen) „Investoren“ und „ausländischen Investoren“ unterschieden, doch in der Praxis scheint dies keine wesentlichen Auswirkungen zu haben, da praktisch alle wesentlichen Bestimmungen uneingeschränkt gelten.

Keine automatische Zustimmung zu Durchführung von Schiedsverfahren mehr

Die wichtigste Änderung für ausländische Investoren betrifft die Abkehr von der bisherigen Zustimmung Kosovos zur Durchführung von Schiedsverfahren im Falle von Streitigkeiten. Das Schiedsverfahren bleibt zwar eine Option. Aber das Gesetz verlangt nun eine ausdrückliche Vereinbarung zwischen dem Investor und dem Staat zur Durchführung eines Schiedsverfahrens. Artikel 47.1 des Gesetzes sieht vor, dass die Bedingungen und Regeln eines solchen Schiedsverfahrens „im Voraus” von den Parteien festgelegt werden müssen. In der Praxis bedeutet das, dass der Investor entweder eine Schiedsvereinbarung in den Vertrag mit dem Staat oder der staatlichen Behörde aufnehmen muss oder nach Entstehung der Streitigkeit versuchen muss, sich mit der Regierung auf ein Schiedsverfahren zu einigen. Andernfalls besteht das Risiko, dass ausschließlich die nationalen Gerichte zuständig sind.

Zu den weiteren zur Verfügung stehenden Streitbeilegungsmechanismen gehören das Mediationsverfahren, die kosovarischen Gerichte für Handelssachen, und ein sogenannter Beschwerdeausschuss. Dieser Ausschuss wurde durch das Gesetz gegründet, um Beschwerden von Investoren zu behandeln und „Empfehlungen“ abzugeben.

Eingeschränkter materieller Schutz

Das Gesetz hat auch eine Reihe neuer materieller Schutzbestimmungen eingeführt, vor allem in den Artikeln 6 („Gleichbehandlung”), 7 („Schutz und Sicherheit”) und 10 („Schutz vor Enteignung”). Insgesamt sind die materiellen Schutzbestimmungen jedoch auf den ersten Blick weniger umfassend als die Schutzvorschriften des früheren Gesetzes über ausländische Investitionen.

Umfassendere Verpflichtungen für Investoren

Darüber hinaus enthält das Gesetz in Artikel 9 eine Liste von Pflichten, die Investoren kennen und einhalten müssen. Diese Pflichten sind wesentlich umfassender und detaillierter als unter den bisherigen gesetzlichen Regelungen. Insbesondere sieht Artikel 9.2 vor, dass Investoren eine umfassende Liste von Gesetzen und Verordnungen einhalten müssen, darunter unter anderem Rechtsvorschriften in den Bereichen Arbeit, Gesundheit, Sicherheit und Umwelt sowie Vorschriften zum Wettbewerb, zu staatlichen Beihilfen, Sanktionen und Geldwäsche. Die Bestimmung sieht auch vor, dass Investoren Verpflichtungen aus dem Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen des Kosovo mit der Europäischen Union einhalten müssen.

Bei Verstößen sieht das Gesetz insbesondere vor, dass die Behörden Schadensersatz von Investoren verlangen oder gar Sanktionen gegen sie verhängen können. Das Gesetz sieht ausdrücklich vor, dass nun auch der Staat selbst ein internationales Schiedsverfahren gegen Investoren einleiten kann – und nicht nur umgekehrt. Allerdings müssen beide Parteien der Durchführung des Schiedsverfahrens gemäß Artikel 47 des Gesetzes zustimmen.

Auswirkungen

Für Investoren – insbesondere ausländische Investoren – erfordert der neue Rechtsrahmen eine proaktivere Rechtsplanung. Wenn Schiedsverfahren das bevorzugte Mittel zur Streitbeilegung sind, muss dies im Voraus ausgehandelt werden. Es ist nicht mehr möglich, sich auf automatische Schutzvorschriften und die Zustimmung des Staates zu verlassen.

Was die materiellen Schutzbestimmungen angeht, bleibt abzuwarten, wie einige der Vorschriften in Kapitel II des Gesetzes angewendet und ausgelegt werden. Die Vorschriften weichen im Hinblick auf ihren Wortlaut teils ab von Regelungen, die im Bereich des Investitionsschutzes standardmäßig verwendet werden. Auf den ersten Blick sind die Schutzbestimmungen jedenfalls weniger ausgeprägt als unter den vorherigen Regelungen.

Allgemein betrachtet stellt das neue Gesetz einen grundlegenden Wandel in der Investitionsschutzpolitik des Kosovo dar. Es signalisiert, dass sich das Kosovo von investorenfreundlichen Bedingungen weg und hin zu einem Modell der Investitions-Governance bewegt.

Autor:in

Petrit
Petrit Elshani

Petrit Elshani studierte Rechtswissenschaften in Pristina und Berlin. Er ist als Rechtsanwalt bei der Anwaltskammer des Kosovo zugelassen und Mitglied der Rechtsanwaltskammer Berlin (§ 206 BRAO). Der Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt im Bereich der Handels- und Investitionsschiedsgerichtsbarkeit. Darüber hinaus berät er im deutsch-albanischen Rechts- und Wirtschaftsbereich.

Besuchen Sie gerne sein Profil oder kontaktieren Sie ihn direkt:

030 225 027 600

Lorem ipsum dolor sit amet, consectetur adipiscing elit. Ut elit tellus, luctus nec ullamcorper mattis, pulvinar dapibus leo.

Über Wagner Arbitration

Die Anwaltskanzlei WAGNER Arbitration hat ihren Sitz in Berlin und ist auf die Beilegung von Streitigkeiten mit Schwerpunkt auf Schiedsverfahren spezialisiert. Darüber hinaus bietet die Kanzlei umfassende Beratungsleistungen im Zusammenhang mit nationalen und internationalen Geschäftsstreitigkeiten und Transaktionen.

Disclaimer

Dieses Journal und die darin enthaltenen Inhalte dienen lediglich Informationszwecken und ersetzen nicht die Rechtsberatung im Einzelfall. Melden Sie sich gern bei uns, sollten Sie Fragen oder Anmerkungen haben.