Die Schiedsgerichtsbarkeit in Albanien befindet sich im Wandel. Das Land hat 2023 ein neues, modernes Schiedsverfahrensgesetz verabschiedet, das auf dem UNCITRAL-Modellgesetz basiert und ein Bekenntnis zu internationalen Standards signalisiert.
Daneben steht ein altes, inländisches Investitionsschutzgesetz aus dem Jahr 1993 und ein relativ dichtes Netz von über 40 bilateralen Investitionsabkommen („BITs”), von denen viele aus den 90er Jahren stammen.
Zusammengenommen bieten diese Rechtsinstrumente zumindest auf Papier den Parteien in Albanien sowie ausländischen Investoren robuste Schutzstandards. Viel hängt jedoch davon ab, inwieweit die Behörden diese Gesetze und Verträge in der Praxis einhalten und durchsetzen. Zumindest in der jüngeren Vergangenheit ließ die Bilanz Fragen zu.
Nationale Ebene I: Schiedsverfahrensrecht
Bis 2013 enthielt die albanische Zivilprozessordnung einige Bestimmungen zur Schiedsgerichtsbarkeit. Diese wurden jedoch 2013 aufgehoben. Seitdem gab es in Albanien kein Schiedsverfahrensgesetz und auch keine anderen Vorschriften zur Schiedsgerichtsbarkeit.
Zehn Jahre später, im Juli 2023, schloss das Land diese Gesetzeslücke durch die Verabschiedung eines neuen Gesetzes über Schiedsverfahren („Schiedsverfahrensgesetz”).). Das Schiedsverfahrensgesetz passt den Rahmen für Schiedsverfahren an internationale Standards an, die durch das weltweit anerkannte Modellgesetz der Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht festgelegt wurden. Damit folgt das Schiedsverfahrensgesetz den weit vereinheitlichten, internationalen Standards in Bezug auf wichtige schiedsrechtliche Aspekte.
Das Schiedsverfahrensgesetz regelt sowohl inländische als auch internationale Handelsschiedsverfahren, bei denen der Sitz des Schiedsgerichts in Albanien liegt. Es deckt alle Phasen des Schiedsverfahrens ab:
- Voraussetzungen für eine wirksame Schiedsvereinbarung:
Die Schiedsvereinbarung muss schriftlich erfolgen, wobei E-Mail-Korrespondenz und jede andere Art der Kommunikation, die eine Dokumentation jener Kommunikation zulässt, diese Anforderung erfüllen. Ausnahmsweise gilt eine Schiedsvereinbarung auch dann als wirksam, wenn die Parteien die formalen Anforderungen nicht erfüllt haben, aber dennoch ein Schiedsverfahren eingeleitet wurde und keine der Parteien Einwände gegen die Zuständigkeit des Schiedsgerichts erhoben hat. Unter bestimmten (strengeren) Bedingungen sind auch Schiedsverfahren mit Beteiligung von Verbrauchern zulässig.
- Konstitution des Schiedsgerichts:
Das Schiedsverfahrensgesetz sieht vor, dass die Parteien in der Schiedsvereinbarung die Anzahl der Schiedsrichter festlegen können. Sofern dies nicht erfolgt und können sich die Parteien nicht einigen, ist die Standardregelung, dass ein Schiedsgericht bestehend aus drei Mitgliedern benannt wird. Im Falle eines Verfahrensregeln für das Schiedsverfahren: sieht das Schiedsverfahrensgesetz vor, dass jede Partei ihren eigenen Schiedsrichter benennt und die von den Parteien benannten Schiedsrichter den Vorsitzenden benennen. Haben sich die Parteien hingegen auf eine Schiedsinstitution geeinigt, sieht das Schiedsverfahrensgesetz vor, dass die Institution alle Schiedsrichter benennt.
- Verfahrensregeln für das Schiedsverfahren:
Das Schiedsverfahrensgesetz sieht vor, dass die Parteien die anzuwendenden Verfahrensregeln selbst festlegen können. Sofern sie dies nicht tun, gelten standardmäßig die Bestimmungen des Schiedsverfahrensgesetzes und das Ermessen des Schiedsgerichts. Hervorzuheben ist, dass das Schiedsverfahrensgesetz in Art. 36 eine Regelung enthält, die einer Bestimmung des deutschen Schiedsverfahrensrechts (§ 1027 Zivilprozessordnung) ähnelt. Art. 36 sieht vor, dass eine Partei das Rügerecht verliert, sofern sie während des Schiedsverfahrens Kenntnis von einem Verfahrensverstoß erlangt und dies nicht spätestens innerhalb von fünf Tagen ab Kenntnis rügt.
- Aufhebung, Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen:
Das Schiedsverfahrensgesetz sieht vor, dass ein inländischer Schiedsspruch nur aufgrund von sehr eingeschränkten Gründen aufgehoben werden kann. Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche richtet sich nach dem New Yorker Übereinkommen, dem Albanien 2001 beigetreten ist.
Nationale Ebene II: Investitionsschutzgesetz
Im Bereich der ausländischen Investitionen verfügt Albanien über ein altes Investitionsschutzgesetz, das erstmals 1992 verabschiedet wurde („Investitionsgesetz”).). Das Investitionsgesetz definiert „ausländische Investoren“ als alle ausländischen Staatsangehörigen, alle außerhalb Albaniens ansässigen juristischen Personen und sogar albanische Staatsangehörige mit ständigem Wohnsitz außerhalb Albaniens. Es definiert „ausländische Investitionen“ indes als „alle Arten von Investitionen, die direkt oder indirekt gehalten werden“ und führt dann eine nicht abschließende Liste von Vermögenswerten auf, die unter die Definition fallen. Dazu gehören zum Beispiel Anteile an Unternehmen, Rechte an geistigem Eigentum sowie Genehmigungen oder Lizenzen.
Obwohl das Investitionsgesetz auf den ersten Blick einen sehr breiten Anwendungsbereich zu haben scheint, wurde es seit Anfang der 1990er Jahre nicht mehr vollständig überarbeitet und weist in anderer Hinsicht erhebliche Einschränkungen auf. Vor allem sieht es zwar das Recht ausländischer Investoren vor, vor dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten in Washington, D.C. („ICSID“) ein Schiedsverfahren einzuleiten, beschränkt dieses Recht jedoch auf Streitigkeiten, die Enteignung, Entschädigung für Enteignung und Diskriminierung betreffen. Alle anderen Arten von Streitigkeiten, die auftreten können, werden primär an die nationalen Gerichte verwiesen.
Internationale Ebene: BITs und internationales Recht
Neben der nationalen Ebene ist die Ebene des Völkerrechts ebenso wichtig, wenn nicht sogar wichtiger. Nach Angaben der UNCTAD hat Albanien über 40 BITs geschlossen, die aktuell in Kraft sin. Viele davon stammen aus der ersten Hälfte der 90er Jahre (sogenannte „old generation BITs”), die für ihre weit gefassten Standards zum Schutz von Investoren und den direkten Zugriff auf internationale Schiedsverfahren bekannt sind.
Die meisten BITs wurden mit anderen europäischen Ländern wie Italien, Griechenland, Deutschland, der Türkei, der Schweiz, Österreich, den Niederlanden, Frankreich und Schweden geschlossen. Albanien hat jedoch auch BITs mit China (1993), Russland (1995) und den USA (1995) geschlossen. Die vollständige UNCTAD-Liste der BITs Albaniens ist hier. verfügbar. In jüngerer Zeit hat Albanien BITs mit Katar (noch nicht in Kraft) und den Vereinigten Arabischen Emiraten (seit 2017 in Kraft) geschlossen.
Albanien ist auch Vertragspartei des Energiecharta-Vertrags, der 1998 in Kraft trat und umfassenden Schutz für Investitionen im Energiesektor bietet.
Im Bereich der Handelsschiedsgerichtsbarkeit bietet das neue Schiedsverfahrensgesetz aus dem Jahr 2023 einen modernen Rechtsrahmen, wenn ein Unternehmen in Albanien tätig ist und eine Ad-hoc -Schiedsklausel mit Albanien als Schiedsort in ihren Verträgen aufnehmen möchte. Albanien verfügt über keine etablierte lokale Schiedsinstitution.
Was den Schutz ausländischer Investitionen angeht, bietet das alte Investitionsgesetz nur einen sehr begrenzten Investorenschutz. Dies wird jedoch durch ein – gemessen an der Größe Albaniens – recht umfangreiches Netz von BITs ergänzt, insbesondere mit Ländern, die wichtige Handelspartner sind.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Rechtsrahmen, obwohl er sich in gewisser Hinsicht noch im Wandel befindet und relativ fragmentiert ist, dennoch einen soliden Schutz bietet, auf den sich ausländische Unternehmen berufen können. Andererseits hat Albanien jedenfalls in der jüngsten Vergangenheit erheblichen Widerstand geleistet gegen die praktische Vollstreckung von Schiedssprüchen, in denen Albanien verurteilt wurde, Kompensation zu zahlen. Der sogenannte „Beccheti-Fall” ( Hydro gegen Albanien,ICSID-Fall Nr. ARB/15/28) und der Fall Iliria s.r.l. gegen Albanien vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (Nr. 31011/09) veranschaulichen die Verzögerungen und den Widerstand seitens der Regierung.
Obwohl also gesetzgeberisch Fortschritte erzielt wurden, hängt die weitere Entwicklung der Schiedsgerichtsbarkeit in Albanien von der praktischen Einhaltung von Vorschriften und der Vollstreckung von Schiedssprüchen ab. Für Unternehmen und Investoren gehen damit Chancen einher, es bedarf jedoch auch einer durchdachten, sorgfältigen Rechtsstrategie, sofern es zu Streitigkeiten kommt. Dazu sind Kenntnisse des Rechtsrahmens, ein Verständnis der verschiedenen Rechtsebenen und ihrer Funktionsweise sowie eine proaktive Investment-Planung erforderlich.
